Es ist der 22. Dezember 1988. Ich bin 10 Jahre alt, gehe in die 5. Klasse und habe wirklich keinen Spaß in der Schule. Ich habe soeben meine Mathearbeit zurückerhalten und, wie immer, auf ganzer Linie versagt. Ich sitze am Fenster. Draußen ist es kalt, der Winter hat seit einigen Tagen unser Dorf fest im Griff. Die Sonne scheint, der Himmel ist stahlblau und die Welt scheint zu glitzern. Ruhe. Die Lehrerin wünscht uns schöne Weihnachten und entlässt uns nach Hause.
Ich packe meine versemmelte Arbeit ein, setze meine Mütze auf, ziehe meine Jacke an und trete nach draußen. Was wird meine Mutter sagen? Wird sie böse mit mir sein? Und der strenge Vater? Mir ist mulmig Zumute.
Zu Hause angekommen öffne ich die Tür und atme ein. Es ist warm. Gemütlich. Ein wohliges Gefühl umschließt meinen Körper. Es riecht nach starkem Kaffee und dem Räuchermännchen, welches gestern Abend während des Tatorts im Wohnzimmer gekokelt hat. Ich ziehe meine Jacke aus und gehe nach oben. Meine Mutter steht in der Küche. Sie macht Teig….Vanillekipferl, die mag ich gerne. Im Wohnzimmer steht der Tannenbaum, im Moment noch ungeschmückt. Ein imposanter Baum. Mein Vater hat den Holzofen an. Es knistert laut. Er hat wohl vorhin Pfeife geraucht. Ich bediene mich an der Keksdose. Meine Mutter schaut mich an und bittet mich ihr beim Backen zu helfen. Mein Vater streicht mir über den Kopf. Ich werde geliebt, die Szenerie ist perfekt. Es ist Weihnachten. Meine Mathearbeit erwähne ich heute nicht.